Lagersterben
Was mit seinem Leidensgenossen geschieht, erfährt er nicht. Da ist er schon tot.
Er wachte auf, schweißgebadet, erschrocken. Doch auch in der Realität hatte der Alptraum kein Ende. Nagender Hunger fraß Stück für Stück seine Vernunft auf. Sein Denken war nur noch auf seine quälenden Schmerzen im Magen fixiert. Er erhob sich leise, schlich sich zwischen den in Lumpen gekleideten, schlafenden Menschenreihen hindurch. Er öffnete die Tür, niemand da, der aufpaßt. Die Küche befand sich nicht weit entfernt. Seine Angst war schon längst von seinem Verlangen nach Nahrung verdrängt worden. Er war in der Küche. Nicht mehr lange und er würde es geschafft haben. Da entdeckte er in der Dunkelheit einen sich bewegenden Schatten. So schnell, wie es seine ihn verlassenden Kräfte zulassen, duckt er sich, springt, greift zu, kämpft, gewinnt die Oberhand. Jetzt erst erkannte er, daß es ein Mitgefangener war, den es aus demselben Grund hierher getrieben hatte und er löste seinen Griff. Plötzlich grelles Licht. Zwei Umrisse in der Tür. Was mit seinem Leidensgenossen geschieht, erfährt er nicht. Da ist er schon tot.


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