Kommentar
Nazi, Kommunist, Terroristenfreund, radikaler Islamist - nur einige meiner neuen Spitznamen die ich von Besuchern unserer Webseite "Consumers Against War" erhalten habe.
Nach einer Demonstration in Sevilla gegen den Krieg (¡NO A LA GUERRA !), leicht gefrustet vom Bewußtsein, daß uns wieder einmal keiner zugehört hat, kam ich auf die Idee, wie ich meinen Widerstand gegen den Irakkrieg auch im Alltag zeigen kann. Boykott, so einfach, manchmal auch wirkungsvoll, auf jeden Fall eine Möglichkeit, seinem Protest eine Stimme zu geben (und wenn es nur die Stimme des Geldes ist, auf die ja ziemlich viele hören).

Und um möglichst vielen davon zu erzählen, stellte ich (mit Hilfe von ein paar Freunden )eine Website ins Netz, auf der ich zum Boykott einiger amerikanischer Firmen aufrief (und noch aufrufe). Dann schickte ich die Adresse per Mail an möglichst viele Leute, aus meinem Adressbuch, oder aus den Adressbüchern anderer Leute, die mir ihre Adressen zu Verfügung stellten. Naja, am Anfang waren die Reaktionen nicht so prickelnd, vor allem aus der linken Ecke (Indymedia) kamen Anschuldigungen, die ich so nicht erwartet hätte. Nazischweine, Nationalisten usw. was man eben so für Ausdrücke für rechte Arschlöcher hat. Nur - daß ich mich keineswegs als solches empfinde. Und es wurde diskutiert, ob man denn nicht auch deutsche Firmen boykottieren soll, wegen ihrer Verbrechen im 3.Reich, daß doch nicht alle Amerikaner am Krieg schuld seien, ein Vorschlag war auch, komplett auf Konsum zu verzichten (prima Idee im kapitalistischen System). Was interessant war - es wurde kaum über den Krieg diskutiert, wer ihn auslöste, welche Interessen dahintersteckten, und- es kam kein Gegenvorschlag. Alles Scheiße - alles gegen meine Ideologie - aber endlich mal wieder was, worüber wir uns aufregen können, das was der Grundton der Kommentare. Und die Besucherzahl dümpelte so vor sich hin.

Bis eines Tages im März, leider weiß ich auf nicht welchem Sender, die Website im amerikanischen Fernsehen gezeigt wurde. Über 19000 Zugriffe verzeichnte die Seite an diesem Tag und ich bekam einen Haufen e-mails. Viele positve, viele Hassschreiben. Vor allem fiel auf, daß die Argumentation der Menschen, die sich für den Krieg aussprachen, fast immer diesselbe war. Saddam ist ein zweiter Hitler, er wird uns alle mit seinen zahlreichen Massenvernichtungswaffen umbringen und ums Öl gehts ja mal gar nicht, schrieben viele. Ich muss an dieser Stelle dem Pentagon für seine hervorragend durchgeführte Gehirnwäsche gratulieren, da habt ihr echt eine Menge Leute auf die gleiche Linie gebracht. Auch bei einem Interview mit einem Radiosender in San Franciso musste ich feststellen, daß mit vernünftiger Argumentation nichts zu machen war. "You Germans have blood on your hands, too - everybody has blood on his hands when we are talking about Saddam", meinte der Moderator. Yes, Sir. Zum Glück vertrete ich aber nicht die Deutschland oder die deutsche Regierung, genausowenig wie die Amerikaner die Bush-Regierung vertreten (obwohl ich bei vielen E-Mails den Eindruck hatte).

Der Krieg war zum Glück schnell vorbei, die Falken sind am Ziel (meinen sie zumindest). Bis das Chaos im Irak gebändigt ist, wird es wohl noch ein wenig dauern. Das Interesse an der Seite schwindet natürlich. Ich hoffe, ich konnte bisher ein paar Menschen einen Denkanstoß geben (als etwas anderes war die Seite auch nie gedacht). Danke an alle die mich unterstützt haben, die mir Übersetzungen und Ideen geliefert haben.

Ach, und überhaupt, welcher der obengenannten Spitznamen nun am besten zu mir passt, weiß ich gar nicht, danke für die äußerst kreativen Vorschläge. Ich denke aber, ich brauche auch gar keinen, mir gefällt mein richtiger Name eigentlich ganz gut.